Ausfälle bei den Junioren dämpfen Erwartungen an Pesaro
Die Vorhut der Nationalmannschaft ist bereits in Pesaro (Italien) zu den Wettkämpfen der 11-17- und 12-19-Jährigen. Nächste Woche tragen die Junioren und Senioren ihre Europameisterschaften aus. Was kann erwartet werden?
Neben Daniel Blintsov und Pia Schütze mit ihrem Vize-Weltmeistertitel bei den Senioren ragte in Genf auch in den drei Age Groups vor allem ein Mixed Paar heraus:
Florian Borcea-Pfitzmann (Dresden) und Selima Wardim (Hoyerswerda) waren mit Wertungen von bis zu 27,3 Punkten (in Tempo) beste Deutsche bei der Jugend und den Junioren. Und zwar nur gut ein halbes Jahr, nachdem sich die beiden Ende 2020 überhaupt erst gefunden hatten. In Balance verhinderte lediglich ein Zeitfehler bei einem individuellen Element eine sogar noch höhere Wertung. Aber auch so reichte es noch souverän für den Finaleinzug – ganz zum Stolz von Coach Sergej Jeriomkin. Der konnte allerdings die Übungen seines Mixed Paars nur von der heimischen Couch aus verfolgen und musste die Glückwünsche fernmündlich übermitteln. Lediglich im Finale konnte das so junge Mixed Paar mit dem siebten Platz nicht ganz die eigenen Erwartungen erfüllen, auch wenn sie sich damit wahrlich nicht zu verstecken brauchen. „Da hätte noch ein bisschen mehr gehen können“, waren sich Florian und Selima damals einig. Jetzt haben sie in Italien ein weiteres Mal in der Altersklasse Junioren die Gelegenheit, es auf ganz großer internationaler Bühne noch besser zu machen. Nächstes Jahr in Aserbaidschan müssen sie dann schon bei den Senioren ran.
Der Weg zur Spitzenklasse und nach Hoyerswerda führte bei Selima über Taucha und (Eintracht) Leipzig, Florian wurde in Dresden groß. Bei der letzten EM 2019 in Holon waren beide noch mit ihren früheren Partnerinnen am Start: Selima mit Lena Bednarz im Damenpaar – damals übrigens ebenfalls die beste deutsche Einheit bei den Age Groups – und Florian mit Samira Rawolle. Für das Dresdner Mixed Paar Samira und Florian war dann bald nach dem ersten Lockdown Schluss, Samira war ihm zu groß geworden. Im eigenen Verein fand er keine neue Partnerin. Da kam die Einladung zum Probetraining nach Hoyerswerda, die ihm seine Trainerin Ramona Herrmann übermittelte, gerade recht. Dort hatte gegen Jahresende Lena ihre Karriere vorzeitig an den Nagel gehängt und Selima stand alleine da. Fünf- bis sechsmal pro Woche pendelt Florian seitdem zum Training mit Sergej Jeriomkin – meistens mit dem Zug, ab und zu spielt auch der Opa mal Chauffeur. Selima lebt seit ihrem sportlichen Wechsel und dem Beginn im Damenpaar mit Lena in Hoyerswerda – mindestens unter der Woche, nur am Wochenende geht es ab und zu heim nach Leipzig. Erst zog sie sogar ganz alleine bei der Oma ihrer Partnerin Lena ein und wurde von der Familie Bednarz aufgenommen, inzwischen ist Mama Wardim nachgezogen und lebt mit ihrer Tochter in Hoyerswerda. Die Daumen sind gedrückt, dass sich dieser ganze Einsatz für das Taucha-Leipzig-Dresden-Hoyerswerda-Mixed-Paar in Pesaro auszahlt!
So war der Text geplant… Wenige Tage vor der geplanten Veröffentlichung schrieb mir Florian vergangene Woche: „Es hat sich in den letzten Tagen recht viel verändert. Wir können verletzungsbedingt nicht in Pesaro starten.“ Selima hört aus gesundheitlichen Gründen sogar ganz mit Sportakrobatik auf. Was für ein Jammer und unglückliches Timing! Von den nominierten 47 Sportlerinnen und Sportlern in 19 Formationen sind sogar (höchstens) noch 42/17 übrig: Auch Xenia Mehlhaff, Elisa Galwas und Lisa Konrad vom SVH Kassel – ebenfalls Finalisten in Genf – treten leider doch nicht an. Es müssen (zumindest bei den Junioren) andere für Höchstwertungen, Finalplätze und bestenfalls Medaillen sorgen! Mit unseren frischgebackenen Vize-Weltmeistern Daniel und Pia sieht es ja bei den Senioren durchaus nicht schlecht aus. 🙂
Erneut eine Meisterschaft unter Corona-Vorzeichen
Eine „normale“ EM wie früher wird es dabei in Pesaro sicher noch nicht wieder, schließlich herrscht immer noch Pandemie. Wie schon bei der WM in Genf ist unter dieser Voraussetzung eine unbeschwerte und ausgelassene Veranstaltung nicht vorstellbar. Corona sorgt(e) für erhebliche Einschränkungen, um nur einige zu nennen:
- kein Rahmenprogramm wie zum Beispiel die Abschlussparty
- quasi ständige Maskenpflicht außer auf der Matte:
Das Ungemach der eigenen Maske wurde in Genf nur noch übertroffen vom Mitleid mit den Kampfrichtern, die ebenfalls non-stop Maske tragen mussten.
- strikte Trennung der Delegationen von den Zuschauern:
Jedenfalls in der Halle. Für Glückwünsche oder Trost ging es auf den Parkplatz…
- reduzierte Zuschauerzahlen und Abstand:
In Genf waren erst ganz kurzfristig 1.000 statt nur 100 Zuschauer genehmigt – viel zu knapp, um die Tickets dann auch noch zu verkaufen. So blieb vor allem bei den Wettkämpfen der Jugend und Junioren die Kulisse armseliger als bei mancher Deutschen Meisterschaft.
Der Fokus der Organisatoren richtete sich folglich aufs Bild des Livestreams, dessen Blickwinkel auf die Wettkampffläche mit Podium, Beleuchtung & Hintergrund durchaus als glamourös bezeichnet werden kann. In der Halle schaute man (90 Grad versetzt) auf Eishockeybanden, lieblos mit Sponsorenbannern behängt, und leere Ränge. Stimmung Fehlanzeige…
Mal sehen, was die UEG und die Italiener aus der Situation machen…
Aber immerhin: In Genf ist es zumindest in Bezug auf Corona gutgegangen! Das kann man inzwischen wohl festhalten. Kein Superspreader-Event, jedenfalls wurde auch im Nachgang nichts über größere Ansteckungen öffentlich. Obwohl es vor Ort sogar vereinzelte positive Fälle bei Sportlern und Kampfrichtern gegeben hatte. Aber das Sicherheitskonzept mit Isolierung etc. hat offenbar gegriffen und die Organisatoren hatten das nötige Quäntchen Glück.
Auf der Matte hatte die lange wettkampffreie Zeit einerseits zu neuen Entwicklungen, Elementen und Höchstschwierigkeiten geführt: Als besonders spektakulär sind vor allem zwei Herrengruppen im Gedächtnis geblieben: Einmal Kasachstan mit Hand-Hand-Kombinationen von Ober- und Mittelpartner im (!) Karree, und einmal Russland – Russland 2 – mit dem Erklimmen einer Pyramide im einarmigen Handstand sowie sogar 4-Mann-hoch im Krokodil.
Andererseits zeigten die diversen Lockdowns und Trainingsverbote in den einzelnen Ländern auch durchaus Wirkung und wirbelten das Klassement durcheinander. Am deutlichsten sichtbar wurde das bei England. Vielleicht haben sie den Trainingsrückstand aber ja inzwischen schon wieder aufgeholt.
Category: EM 2021 in Pesaro, Personalien und Verbandsangelegenheiten, WM 2021 in Genf