Reden wir über Geld! Hintergründe zu den DSAB-Finanzen…

| 13. April 2022 | 0 Comments
Die Zuwendungen des Bundes zur Förderung des DSAB haben sich im Vergleich zu vor ein paar Jahren vervielfacht.

‚Was für eine Entwicklung!‘ staunt man als Erstes. Und gleich darauf beginnt man zu träumen: ‚Was man von so viel Geld alles finanzieren könnte…‘ So ging es bestimmt einigen, als sie die Zuwendungen des Bundes zur Förderung des DSAB analysierten. Die tatsächlich geflossenen Summen („IST“) hat das BMI unlängst für 2013 bis 2021 veröffentlicht, genauso wie die Prognose („SOLL“) für 2022. Die Fördergelder für den DSAB haben sich vervielfacht. Bei DSAB-Präsident Oliver Stegemann habe ich mir dazu ein paar Hintergrundinfos und Einordnungen geholt.

Fangen wir an mit der Summe, die für den Nicht-Olympischen Sport insgesamt pro Jahr im Bundeshaushalt zur Verfügung steht. Dieser Posten ist nicht zuletzt dank Stegemanns Wirken (in seinen Funktionen als Vorsitzender der IG NOV und als Mitglied der Sprechergruppe der Spitzenverbände des DOSB) in den letzten Jahren auf 13,9 Millionen Euro erheblich angewachsen. Zum Vergleich: Bis 2017 waren das noch 2,4 Millionen, bis 2019 noch 3,9 Millionen, seit 2020 13,9 Millionen Euro. Inzwischen kann mit den 13,9 Millionen Euro sogar relativ sicher für die nächsten Jahre geplant werden. In Beamtensprache: Der neuerdings eigene Haushaltstitel für den Nicht-Olympischen Sport ist „auf Dauer angelegt“, die Summe ist „verstetigt“. Die Summe für das Personal in Höhe von 4,1 Millionen jährlich bis 2025 ist sogar garantiert. Der Beamte wiederum spricht von einer „Verpflichtungsermächtigung“. Letzteres ist Voraussetzung, damit Arbeitsverträge (für Bundestrainer, Sportdirektor etc.) auf Dauer abgeschlossen und so gute Leute gehalten werden können.

Fördergelder sind zweckgebunden

Wichtig zu wissen: Die 13,9 Millionen sind nicht nur für die Nicht-Olympischen Verbände (wie zum Beispiel den DSAB), sondern es bedienen sich auch die Olympischen Verbände mit ihren Nicht-Olympischen Sportarten (zum Beispiel der DTB unter anderem mit Aerobic).

Und: Die Fördergelder sind zweckgebunden. „Eine Menge Leute auch bei uns im Verband haben richtig gute Ideen, was man mit einer halben Million pro Jahr alles anstellen könnte. Leider geht das meistens nicht.“ Die größten Posten sind für Personal (im Fall vom DSAB: Sportdirektor, Bundestrainer, Choreografin sowie diverse Trainerinnen und -Trainer auf 400-Euro Basis) und für Maßnahmen wie internationale Wettkämpfe oder Kaderlehrgänge.

Mehr Geld, mehr Bürokratie!

Kein Vorteil ohne Nachteil! Stegemann erklärt: „Ab einer gewissen Höhe der Fördergelder gilt die sogenannte Anteilsfinanzierung.“ Davor gilt die „Festbetragsfinanzierung“. Die Anteilsfinanzierung verlangt, dass in jede einzelne (!) Maßnahme eine festgelegte Quote von Eigenmitteln eingebracht werden muss. Bedeutet im Falle vom DSAB: Die Zuschüsse für 60 bis 70 Einzelmaßnahmen jährlich – internationale Wettkämpfe oder Kaderlehrgänge u.v.m. – müssen einzeln beantragt werden und jede einzelne Maßnahme muss haarklein dokumentiert werden. In Zeiten des Festbetrags ging das noch en bloc. Für jede einzelne Maßnahme wird dann auch der Eigenanteil errechnet, den der DSAB leisten muss. Fällt eine Maßnahme teurer oder auch günstiger aus als geplant, wird alles nochmal aufgerollt und neu berechnet…

Das ist unglaublich aufwendig und heißt konkret: Der bürokratische Aufwand steigt immens. „Mit der Anteilsfinanzierung stellt sich erst mal nicht mehr die Frage, ob du weitere Trainer einstellst. Von den zusätzlichen Fördergeldern muss man sofort eine(n) Sportdirektor bzw. -direktorin oder eine(n) Leistungssportreferenten bzw. -referentin einstellen, der oder die die ganze Verwaltungsarbeit übernimmt. Das ist ehrenamtlich nie und nimmer zu leisten. Mit Hannes Schenk haben wir da zum Glück den perfekten Mann an der Schnittstelle von Sportbetrieb und Verwaltung gefunden. Der beherrscht dieses Geschäft inzwischen sehr gut. Ein professioneller Sportdirektor oder eine professionelle Sportdirektorin sind für die Verbände überlebenswichtig geworden, da bei Fehlern Rückzahlungen und Kürzungen drohen. Das kann für einen Verband schnell existenzbedrohend werden. Denn die Förderung muss in voller Höhe zurückgezahlt werden, die Ausgaben sind aber natürlich trotzdem angefallen. Das muss dann aus den eh schon spärlichen Eigenmitteln bestritten werden.“

Apropos Eigenmittel: Beim DSAB reden wir aktuell über Eigenmittel in Höhe von rd. 50.000 Euro jährlich, die in Form von Mitgliedsbeiträgen, Fernsehgeldern, Startgebühren etc. eingenommen werden.

Entscheidend sind die World Games!

Aber zurück zu den 13,9 Millionen: Welcher Verband (davon) wie viel Fördergeld bekommt, entscheiden BMI und DOSB. Kriterien werden im Dokument „Förderung Nichtolympischer Spitzensport“ teilweise genannt, teilweise angedeutet.
Für eine allererste Einteilung der Verbände in drei Kategorien ist das Abschneiden bei den jeweils letzten World Games relevant, die sind der sogenannte „Zielwettkampf“: Gewinnt ein Verband bei den World Games eine Medaille, kommt er für die nächste Förderperiode (normalerweise vier Jahre) ins „Cluster 1“. Nimmt er an den World Games teil, kommt er ins „Cluster 2“. Konnte er sich nicht qualifizieren, landet er im Cluster 3. Die Verbände aus Cluster 1 bekommen die höchste Förderung, die aus Cluster 2 und 3 entsprechend weniger. Wer über eine gewisse Grundförderung hinaus will, muss zusätzlich zwei Dinge nachweisen:

  • Erstens Erfolg („Leistungsbonus“) – und zwar ebenfalls ausschließlich bei den World Games: Je nach Platzierung gibt es Punkte, aus denen sich die Höhe des Leistungsbonus errechnet. Es zählt aber nur das beste Ergebnis einer Disziplin. Sportakrobatik insgesamt gilt bei BMI und DOSB als eine Disziplin. Heißt konkret für den DSAB: Wenn eine Formation bei den World Games Gold holt, ist das Maximum erreicht und es ist völlig egal, ob weitere Formationen weitere Titel oder Medaillen gewinnen oder überhaupt am Start sind.
  • Und zweitens Potenzial („Potenzialorientierte Projektförderung“) – also erwartbarer zukünftiger Erfolg. Für die sogenannte Potenzialorientierung muss jeder Verband argumentieren, wie viel Erfolg in den nächsten Jahren in Aussicht steht, für den sich eine Förderung lohnt. Das begründet der eine Verband besser, der andere schlechter. Problem ist außerdem: Wie genau BMI und DOSB ihre Potenzialorientierung festlegen (d.h. das Potenzial eines Verbandes bewerten), ist unklar. Man reicht jede Menge Unterlagen etc. ein und bekommt einen Betrag heraus. Einblick in die Verhandlungen gibt es keinen. Aber Stegemann sagt: „Wir haben da in den letzten Jahren rausgeholt, was rauszuholen war!“

Geht da noch mehr für den DSAB als die für 2022 erhofften fast 580.000 Euro? Stegemann: „Meines Erachtens schöpft derzeit noch kein Verband die Höchstgrenzen der Förderung aus. Gerade beim Personal hoffen wir noch auf zusätzliche Fördermittel.“

Die zusätzlichen rund 120.000 Euro Steigerung von 2021 auf 2022 sind im Bereich Personal angesiedelt und beziehen sich auf den DSAB-Stützpunkt in Dresden. Dort will der DSAB eine weitere hauptamtliche Trainerin anstellen und gleichzeitig auch eine Person (zum Beispiel eine Bundestrainerin oder einen Bundestrainer für den Nachwuchs), die außerhalb vom Stützpunkt für die Vereine „bei ihnen zuhause“ da ist. Stegemann: „Wenn wir die für 2022 beantragten Fördergelder auch wirklich bekommen und dann in der nächsten Förderperiode 2023-25 auf diesem Niveau bleiben, haben wir schon ein stabiles Grundgerüst aufgebaut.“

Apropos ‚Wenn wir bekommen…‘: Schlaflose Nächte bereitet den DSAB-Verantwortlichen Jahr für Jahr die Frage, ob die erhofften bzw. in Aussicht gestellten Mittel auch wirklich ausbezahlt werden. Das geschieht nämlich gern mal erst gegen Ende des Jahres fürs laufende Kalenderjahr, in dem sie auch verbraucht werden müssen. Heißt konkret: Der DSAB geht enorm in Vorleistung bzw. ins Risiko. Wenn da mal bei der endgültigen Bewilligung der Förderung was schiefgeht, ist vermutlich Konkurs angesagt.

Und wie geht es weiter?

„Für die Erhöhung der Fördergelder zu kämpfen, hatte jetzt erst mal oberste Priorität“, sagt Stegemann. Als er 2014 DSAB-Präsident wurde und Ende 2018 Vorsitzender der IG NOV, habe er realisiert, was das Verpassen der World Games bedeutet hätte: „Dann hätten sich unsere Fördergelder auf 39.000 Euro reduzieren können; Damit kann man keinen Weltklasse-Bundestrainer bezahlen. Und ohne Bundestrainer kommt man dann auch in der nächsten Förderperiode nicht mehr ran; letztlich hätten wir vermutlich zusperren müssen – zumindest, was unsere internationalen Ambitionen anbelangt.“

Jetzt kann der DSAB auf eine solide Ausstattung bauen. Den Sportbetrieb in seinem Verband sieht Stegemann „gut aufgestellt, und das ist unsere Lebensversicherung. Mit Hannes, Igor, Anna und den vielen jungen Trainerinnen und Trainern, die in Deutschland aktiv sind, haben wir eine weitgehend professionelle Einheit geschaffen, die den Leistungsportbetrieb steuert und entwickelt. Der Rest läuft dann fast von allein!“ Stegemann ergänzt: „Damit meine ich, dass wir von Verbandsseite alles getan haben, damit unser einziges Limit das Talent der Sportlerinnen und Sportler ist. Denn wenn wir sicherstellen, dass wir Talente entdecken, optimal entwickeln und zusammenführen können, sind wir für die Zukunft strukturell gut gerüstet.“

Im Detail gilt es noch zu optimieren: Stegemann will mit DOSB und BMI über die Clustereinteilung sprechen. Eine World-Games-Medaille als Voraussetzung für Cluster 1 ist „viel zu eng“. Zudem ist in vielen Sportarten Cluster 2 gleichbedeutend mit den Plätzen vier und fünf beim Qualifikationswettkampf, da Platz sechs auf Grund der Regularien der World Games nicht sicher ausreicht, um teilzunehmen.

Auch über die Definition von Disziplinen muss gesprochen werden. Aktuell läuft Sportakrobatik als eine Disziplin. „Ich sage: Wir sind fünf Disziplinen oder wenigstens zwei (Paare und Gruppen). Das würde uns im Rahmen der Förderung nochmal neue Möglichkeiten eröffnen.“ Und er will dafür kämpfen, dass die Verbände in Zukunft hoffentlich mehr Fördergelder auch für die Junioren und vielleicht sogar die Age Group investieren dürfen. Momentan dreht sich alles hauptsächlich um die Senioren.

Da sollte aber schon noch Zeit bleiben, um neue Baustellen in den präsidialen Fokus zu rücken. Stegemann denkt da in erster Linie an:

  • Eigenmittel: Je mehr eigenes Geld der DSAB erwirtschaftet, desto mehr Fördergelder kann er im Rahmen der Anteilsfinanzierung „hebeln“. Und: Eigenes Geld kann im Zweifel auch mal außerhalb des Verwendungszweckes der Fördergelder des Bundes investiert werden: „Ziel ist unter anderem, dass auch die Age Groups irgendwann mal keine Selbstbeteiligung mehr leisten müssen, wenn sie Deutschland auf einer EM oder WM vertreten.“
  • Breiten-/Wettkampfsport: „Der Breiten- und Wettkampfsport hat in den letzten Jahren nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die ihm zusteht.“ Nicht zuletzt ist das auch ein Weg zu mehr Eigenmitteln. Denn je breiter die Basis aufgestellt ist, desto höher fällt auch die Summe der Mitgliedsbeiträge aus, die der DSAB bekommt.
  • Internationale Meisterschaften (Welt Cups, am besten Kategorie A, und mehr) in Deutschland: „Sportakrobatik muss sichtbarer werden, am besten im TV. Das ist einer der wichtigsten Bausteine für unseren Traum von Olympia und dazu wollen auch wir in Deutschland beitragen.“ Für internationale Meisterschaften stehen übrigens weitere Fördergelder zur Verfügung, die der DSAB bislang zu wenig nutzt.
  • Und: Jugendbegegnungen. Für beides hatte Stegemann ja bereits im vergangenen Jahr geworben. Für Jugendbegegnungen gibt es über die DSJ ebenfalls tolle Förderungen.

Es kann also sogar noch weiter nach oben gehen mit den DSAB-Finanzen. Träumen ist erlaubt!

Abkürzungen:

DSAB – Deutscher Sportakrobatik Bund
BMI – Bundesministerium des Innern und für Heimat
DOSB – Deutscher Olympischen Sportbund
IG NOV – Interessengemeinschaft der Nicht-Olympischen Verbände (NOV) im DOSB
DTB – Deutscher Turner-Bund
DSJ – Deutsche Sportjugend

Quellen / Dokumente:

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Category: Personalien und Verbandsangelegenheiten

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