Wroclaw, Tag 7: Ein Rückblick fernab von Wertungen, Platzierungen und Medaillen

| 15. Juli 2010 | 6 Comments

Von den Zuschauerrängen aus...

Auweia, ich hinke mit meinem Tagebuch hinterher. Das muss sich ändern! Darum hier bitte: Ein frischer Text…

Aber was soll ich schreiben? Die Senioren sind am Dienstag angekommen, trainierten am Mittwoch erstmalig. Echte News gibt es nicht, zum Glück vor allem keine schlechten. Also nochmal ein kleiner Rückblick auf die Jugend und Junioren: Was beschäftigte eigentlich fernab von Wertungen, Platzierungen und Medaillen die deutsche Delegation? Ein Gesprächsthema fällt mir da ein, das zumindest mehrfach debattiert wurde: die Trainer.

Drei Trainer für 30 Sportler

Zu den Fakten: Wie nahezu alles andere ist von der FIG auch genau vorgeschrieben, wie viele Personen eine Delegation umfassen darf. Wie viele Sportler und in Abhängigkeit von der tatsächlichen Anzahl der Aktiven wie viele Trainer und Offizielle. Also: Den knapp 30 deutschen Sportlern bei der Jugend- und Junioren-WM durfte der DSAB gerade einmal drei Trainer an die Seite stellen. Offizielle, akkreditierte und somit „echte“ Trainer waren neben dem Bundestrainer Vitcho Kolev bei der Jugend und den Junioren Igor Blintsov und Sergej Jeriomkin. Zwar waren auch einige nicht akkreditierte „falsche“ Trainer nach Wroclaw gereist, diese mussten das Treiben ihrer Schützlinge aber von den Zuschauerrängen verfolgen. Zum Warm-Up-Bereich hatten sie natürlich ebenfalls keinen Zugang und konnten das Geschehen dort auch nicht einmal aus der Ferne beobachten. Als sich einer dennoch durch einen Nebeneingang in die Trainingshalle mogelte, hätte es beinahe Ärger mit der FIG gegeben.

Die Kampfrichter Albert Jung und Frank Böhm sowie zwei weitere Offizielle vervollständigten die deutsche Delegation: Mit Anna Kronsteiner hatte Deutschland eine Physiotherapeutin dabei, die sehr gut von den Sportlern angenommen wurde. Zudem brachte sie sich bei organisatorischen Aufgaben ein, allerdings konnte sie als Nicht-Sportakrobatin bei fachlichen Belangen nur schwer weiterhelfen. Werner Hassepaß war als Delegationsleiter und DSAB-Pressereferent in Personalunion in Wroclaw. Während des Trainings und der Wettkämpfe fotografierte er meist. So blieben an Bundestrainer Vitcho Kolev viele administrative bzw. organisatorische Aufgaben über seinen Trainerjob hinaus hängen. Leider konnte er nicht immer seine ungeteilte Aufmerksamkeit den Sportlern widmen.

Kritik, aber auch Lob

(Vielleicht) die Folge: An den Trainingstagen wurde von einigen Seiten, so zum Beispiel von manchem Heimtrainer, aber auch von Sportlern Kritik laut, dass nicht alle Formationen die gleiche Zuwendung erfahren hätten. Das ging nicht unbedingt gegen Vitcho, sondern gegen alle „echten“ Trainer: Aber auch wenn Igor und Sergej auf Kosten des DSAB hier in Wroclaw weilen, ist es doch nur allzu menschlich und nachvollziehbar, dass ihre eigenen Sportler etwas mehr im Fokus ihrer Aufmerksamkeit stehen. Immerhin: An den Wettkampftagen, wo ja jede Formation für sich die Vorbereitung durchlief, scheint es besser geklappt zu haben. Manche äußerten sich aber auch höchst zufrieden: Der „falsche“ Trainer Orlin Kiselichki lobte explizit den „echten“ Sergej, dass dieser bei der letzten Vorbereitung seines Damenpaars kurz vor dem Wettkampf hervorragende Arbeit geleistet habe.

Jenseits der Frage, wer sich wie lange um wen gekümmert hat, ist das eigentliche Problem meiner Meinung nach ja ein ganz anderes: Wie oft haben manche Formationen in ihrer noch jungen Karriere bisher überhaupt mit dem Bundestrainer oder den anderen „echten“ Trainern gearbeitet. Für die Jugend gibt es meines Wissens keine Kaderlehrgänge, weil das nötige Kleingeld fehlt. Wie soll ein fast Fremder da zur Vertrauensperson werden und jenseits von letzten technischen Tipps und Fehlerkorrektur insbesondere die psychologische Betreuung leisten können? Und die ist ja bei einem elfjährigen Mädchen, das seine erste Weltmeisterschaft bestreitet, sicherlich besonders wichtig.

Aber auch für die „echten“ Trainer ist die Situation nicht optimal: Sergej betonte, dass es extrem schwer sei, eine nahezu unbekannte Formation zu betreuen. Und nicht nur schwer, sondern auch riskant, als Fremder bei einem schwierigen Element Hilfestellung zu geben. Da ist sein Vorschlag schon sinnvoll, auch in der Jugendklasse (mindestens) einen Lehrgang mit der gesamten Delegation und den Heimtrainern anzubieten. Damit sich alles ein bisschen einspielt, die Heimtrainer sachliche Hinweise geben können und das ganze Prozedere bei der WM schon mal durchgespielt werden kann. Angefangen bei so banalen Dingen wie der gemeinsamen Erwärmung und dem Festlegen einer Abfolge der Übung im Training. Später wird sonst kostbare Zeit verschenkt. Aber wie gesagt, es fehlt am Geld.

Ein deutsches Problem?

Inwiefern diese Problematik übrigens auch andere Nationen trifft und wie sie damit umgehen, kann ich nicht sagen. Ich könnte mir nur vorstellen, dass anderswo die Sportler öfter mit ihrem Nationaltrainer arbeiten können und der somit am Wettkampf seine Formationen auch gezielter betreuen kann. Mindestens aus Russland weiß ich, dass es dort sogar einen eigenen Bundestrainer für den Jugend- und Juniorenbereich gibt.

Bundestrainer Vitcho Kolev will das Thema heute bei einer Sitzung mit der FIG ansprechen. Ob es was bringt, ist fraglich. Diese Sitzung heute ist übrigens auch wieder so eine Sache: Der mehrstündige Termin mit allen Bundestrainern findet während des Abschlusstrainings vieler Nationen – darunter Deutschland – statt… Muss man da wirklich den Sportlern ihren Trainer abziehen???

Nun ja, wie schon eingangs gesagt, ich schreibe das, weil es vom gestrigen ersten Trainingstag der Senioren nichts allzu Spannendes zu berichten gibt. Und irgendwie ist es ja für die Daheimgebliebenen vielleicht auch ganz interessant, was die deutsche Delegation bei der Jugend- und Junioren-WM jenseits des Wettkampfes so beschäftigt hat. „Echte“ und „falsche“ Trainer, so einen Blödsinn habe ich mir ja schon lang nicht mehr ausgedacht… Lagerkoller!? Heute Abend wird jedenfalls die Weltmeisterschaft eröffnet, ab dann geht’s wieder so richtig los…

 

Sulvinja

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Category: WM 2010 in Wroclaw

Comments (6)

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  1. Sabine sagt:

    … und es wird auch immer Leute geben, die ihre im Wettkampf geturnten Fehler bei anderen suchen, und da sind die Trainer ja gleich ein guter Grund …

    – was wird denn das für ein Chaos, wenn jeder Spieler beim Fußball sein Heimtrainer mitbringt – das wäre lächerlich

    – wenn man eine gute Vorbereitung zu Hause absolviert hat, braucht man beim „Einturnen“ auch nur eine Hilfestellung und ich denke, wenn man einen von den 3 Trainern gefragt hat, wird auch keiner eine Hilfestellung ablehnen

  2. maria sagt:

    Aber laut der Aussage von Ramona haben Sergej, Igor und Vitcho ihre Sache ganz gut gemeistert, wenn man die Bedingungen berücksichtigt…
    Also ein Lob an die drei!!!

    Ist sicher nicht so einfach, wie man sich das alles so vorstellt. Ich würde nicht mit ihnen tauschen wollen!

    …es wird wohl immer Leute geben die alles schlecht reden wollen!!!

    LG

  3. mona sagt:

    wenn alle ihren trainer haben, ist es klar, dass man mehr nach seinen einheiten schaut. aber wenn man nunmal für gewisse einheiten zuständig ist, sollte man ihnen auch die nötige aufmerksamkeit schenken…und es kam eben gar nichts

  4. maria sagt:

    wie sieht morgen die startreihenfolge aus?
    welche übungen werden geturnt?
    viel glück dem deutschen team

  5. Ramona sagt:

    Ich möchte mich bei Igor bedanken. Er hat sich sehr gut um Tim und Rosa gekümmert und jederzeit gut mit mir abgesprochen!!!:)

  6. Julia sagt:

    am schlausten wäre es wenn jede Formation ihren trainer hat !

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