Nachwuchsbestenermittlung auf dem Prüfstand

| 9. November 2010 | 6 Comments

Das Logo des internationalen Nachwuchsmeetings

Wettkämpfe im Nachwuchsbereich haben in der deutschen Sportakrobatik derzeit nicht nur eine sportliche, sondern auch eine politische Dimension. Zwei unterschiedliche Programme konkurrieren momentan um die Vorherrschaft in der Republik.

Die Hessen hatten bis vor kurzem bei der Durchführung von Wettkämpfen im Nachwuchsbereich quasi eine Art Monopol. Ihr Wettkampfprogramm für die Nachwuchsklasse (auch C-Klasse genannt), das sie vor vielen Jahren erarbeitet und dann sehr engagiert immer weiter entwickelt haben, fand bis vor kurzem nahezu bundesweit Anwendung. Das lag nicht zuletzt auch daran, dass die Hessen mit dem internationalen Nachwuchsmeeting der Sportakrobatik eine höchst attraktive Veranstaltung geschaffen haben, die sie natürlich nach ihrem Wettkampfprogramm austragen.

Auf Grundlage des hessischen Nachwuchsprogramms hat dann vor knapp einem Jahrzehnt auch der Deutsche Sportakrobatik Bund die Nachwuchsbestenermittlung entwickelt, die sich mittlerweile fest im nationalen Wettkampfkalender etablieren konnte.

Nur der Württembergische Sportakrobatik Verband wollte da nie so recht mitziehen. Stattdessen legten die Schwaben unlängst ein eigenes Wettkampfprogramm zur Nachwuchsförderung – kurz WeNa – nach englischem Vorbild auf. Nicht zuletzt aufgrund ihrer (politischen) Vormachtstellung im Deutschen Sportakrobatik Bund konnten sie einige Landesverbände ebenfalls von ihrem neuen Nachwuchsprogramm überzeugen und außerdem durchsetzen, dass ab diesem Jahr vom DSAB auch ein bundesweiter WeNa-Pokal im Rahmen einer der beiden Mannschafts-Meisterschaften ausgerichtet wird. Jetzt stehen auf nationaler Ebene also zwei Wettkampfprogramme bzw. Wettkämpfe in direkter Konkurrenz. In diesem Jahr liegen sogar nur sieben Tage zwischen den Veranstaltungen, die ja unterschwellig beide den Anspruch erheben, eine Art inoffizielle Deutsche Nachwuchs-Meisterschaft zu sein.

Der DSAB plant, dass das (württembergische) WeNa-Programm von den leistungssportlich orientierten Vereinen oder Verbänden angewandt werden soll und die (hessische) Nachwuchsklasse für diejenigen erhalten bleibt, die eher Breitensport betreiben wollen.

Fest steht: Beide Programme wollen und können die Nachwuchssportler auf die Vollklasse vorbereiten. Es scheint auf die Frage hinauslaufen, ob sich in den leistungssportorientierten Verbänden der WeNa-Pokal mittelfristig gegen die Nachwuchsbestenermittlung durchsetzten kann. Dann müsste sich die (hessische) Nachwuchsklasse vielleicht tatsächlich als Wettkampfprogramm für Breitensport neu orientieren. Oder kann sich die Nachwuchsbestenermittlung auf der nationalen Ebene behaupten und der WeNa-Pokal verschwindet wieder von der Bildfläche?

Die Bilanz des ersten Fernduells: Noch hat die Nachwuchsbestenermittlung klar die Nase vorn: Neun Bundesländer waren mit insgesamt 15 Mannschaften am vergangenen Samstag nach Oberforstbach gereist. Beim ersten WeNa-Pokal in Schwalbach werden am kommenden Samstag gerade einmal vier Bundesländer erwartet.

Nun aber doch noch zu den sportlichen Ergebnissen, die bei der neunten Nachwuchsbestenermittlung alles andere als erwartungsgemäß ausfielen: Hessen holte zum ersten Mal überhaupt „nur“ Bronze, stattdessen gewann Mecklenburg-Vorpommern die Mannschaftswertung vor den Gastgebern aus Nordrhein-Westfalen. Auch der Doppelsieg des TAV Selmsdorf mit den beiden Trios Mandy Tengler, Elisa Rotter und Alessa Oldörp sowie Malin Dührkop, Laura Oldörp und Marthe Greta Georgie darf durchaus als Überraschung bezeichnet werden. Viele werden sich jetzt fragen: Wo liegt eigentlich Selmsdorf? Vielleicht sollte man sich die kleine Gemeinde im Nordwesten Mecklenburg-Vorpommerns merken… Bemerkenswert ist überdies, dass gleich drei Herrengruppen bei der Nachwuchsbestenermittlung am Start waren. So viele hat man in diesem Jahr noch auf keiner Veranstaltung des DSAB gesehen.

Alle Ergebnisse gibt es in der Siegerliste.

Ach übrigens: Auch wenn es sich um die Aufnahmen eines Sportartikel-Vermieters handelt, die hauptsächlich auf dessen Air-Track-Bahn im Einturnbereich gedreht wurden, so vermittelt dieses Video dennoch auch einen Eindruck vom Wettkampf in Oberforstbach. Und vielleicht findet sich ja auch der ein oder andere wieder.

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Category: Turniere

Comments (6)

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  1. Tina sagt:

    Hallo Albert,
    vielen Dank für deine Erklärungen. Das ist ein klasse Beitrag. LG

  2. Albert Jung sagt:

    [quote name=“Tina“]Jetzt ist mir wirklich einiges klarer. Interessant wäre allerdings noch, was die Hauptunterschiede der beiden Programme sind. Lässt sich das ohne allzu großen Aufwand erklären?[/quote]

    Hallo Tina,
    auf den ersten Blick kann man sehen dass bei der WeNa in zwei Grundstufen und drei Aufbaustufen geturnt wird. Das bedeutet, dass die Sportler je nach ihrer Leistung in einer Stufe einsteigen und sich bis zur höchsten Leistungsstufe (A3) „hocharbeiten“ können. In der obersten Leistungsstufe haben die Sportler die Möglichkeit mit diesen Elementen an einer Schüler – oder Jugendmeisterschaft teilzunehmen. Die Elemente sind so ausgewählt, dass mit diesen auch international an den Age Group Competition teilgenommen werden kann. Also vereinfacht gesagt, ein Nachwuchsprogramm, das die Sportler an den Wettkampf heranführt.

    Bei dem C-Klasse Programm haben die Sportler die Möglichkeit aus unterschiedlichen Elementen ihre Übung zusammen zu stellen. Die Teilanahmebedingungen und die Entwicklungsvorgaben sind in diesem Programm nicht so konsequent enthalten wie im WeNa – Programm.

    Ich hoffe, den Unterschied der beiden Programme auf einfache Weise erklärt zu haben.

    Und noch eine Anmerkung: Nach dieser Struktur und diesem Aufbau von WeNa wird nicht nur in England, sondern auch in den führenden Nationen in den Mittel- und Osteuropäische Ländern und auch in Übersee Nachwuchsarbeit betrieben.

    Albert

  3. Sebastian Schipfel sagt:

    Der DSAB berichtet ebenfalls über die Nachwuchsbestenermittlung. Weil er vor Ort war, kann Werner Hassepaß dabei wesentlich detaillierter auf den Wettkampf eingehen als ich: http://www.sportakrobatikbund.de/index.php?mid=1&show1news=850

  4. Tina sagt:

    Jetzt ist mir wirklich einiges klarer. Interessant wäre allerdings noch, was die Hauptunterschiede der beiden Programme sind. Lässt sich das ohne allzu großen Aufwand erklären?

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