Der neue DSAB-Präsident Oliver Stegemann im Interview, Teil 1

| 17. Mai 2014 | 3 Comments

Der neue DSAB-Präsident Oliver Stegemann im Interview, Teil 1

Nach dem Rücktritt von Martin Gerster brauchte der Deutsche Sportakrobatik Bund einen neuen Präsidenten. Der Vorschlag des Präsidiums: Oliver Stegemann, 42 Jahre alt, bald zweifacher Vater, wohnhaft in Berlin. Geboren und aufgewachsen in Heidelberg und Basel, arbeitete er zunächst bei einer Landtagsabgeordneten in Freiburg. Seit 2006 ist er in der Bundeshauptstadt für Martin Gerster tätig. Heute wurde er bei einer außerordentlichen Delegiertenversammlung in Pfungstadt einstimmig zum neuen DSAB-Präsidenten gewählt. Ein Interview.

Schipfel: Erstmal Gratulation zur Wahl!
Stegemann: Danke.

Wahlvorschläge des Präsidiums hatten es zuletzt schwer… Hattest Du Bedenken, gewählt zu werden?
Stegemann: Nun ja, es gab sicherlich einige Kampfkandidaturen bei der letzten Delegiertenversammlung. Und auch für den Posten des Jugendreferenten standen zwei Kandidaten zur Auswahl. Ich finde das nicht unnatürlich. Wichtig ist, dass diejenigen, die sich zur Wahl stellen, dann auch das Amt annehmen und ausfüllen. Das ist sicher auch ein Maßstab, an dem ich mich werde messen lassen müssen.
Allerdings kann ich wie auch schon Martin nicht als Sportakrobatik-Fachmann mit 20 Jahren Erfahrung antreten – denn ich habe sie schlicht nicht. Ebenso wie Martin Gerster habe ich gesagt: Sollte es Kandidaturen aus der Sportakrobatik geben, werde ich nicht antreten.
Das Präsidium hat mich nach Martins Rücktritt gebeten zu kandidieren und ich habe meine Kandidatur beim Treffen der Landesverbände Anfang März in Erfurt auch thematisiert und mich vorgestellt. Dabei ging es mir darum, klar darzustellen, was ich beabsichtige, wo ich die Herausforderungen sehe und wo aus meiner Sicht die Probleme liegen.

Oliver Stegemann

Wo liegen denn aus Deiner Sicht die größten Probleme? Wohin willst Du den DSAB steuern?
Stegemann: Das kann man ganz einfach formulieren: Es geht in den nächsten vier Jahren um das Überleben der deutschen Sportakrobatik im internationalen Wettbewerb und als eigenständiger Verband. Wir haben uns nicht für die World Games 2013 qualifizieren können. Das wird einen herben Einschnitt bei der öffentlichen Förderung mit sich bringen. Um es in Zahlen zu sagen: Wir verlieren etwa 40 Prozent unserer Fördergelder. Das bedeutet, es geht um unsere Existenz! Manche haben schon einen Vorgeschmack darauf bekommen, was das bedeutet, als die Einladungen für die WM in Paris verschickt wurden. Der Eigenanteil ist ganz erheblich gestiegen. Und ich fürchte, das ist erst der Anfang.
Gleichzeitig müssen wir uns wieder in die Lage versetzen, die Qualifikation für die World Games zu erreichen. Bei der Europameisterschaft in Portugal hatte Deutschland keine Senioren am Start. Nicht eine Formation – das ist ganz schwach. Das soll kein Vorwurf an wen auch immer sein. Es ist eine Tatsache. Das müssen wir ändern. Im nächsten Jahr findet die EM bei uns in Riesa statt. Bis dahin müssen wir wieder Formationen entwickeln, die bei den Senioren antreten können. Sonst werden wir dauerhaft in eine Abwärtsspirale gezogen: Keine Senioren, das bedeutet keine Chance auf Qualifikation zu den World Games, was wiederum weniger Geld bedeutet… Ich glaube, das Ende dieser Spirale ist jedem klar.

Du beschreibst die Situation der Sportakrobatik in düsteren Farben, ist es wirklich so schlimm?
Stegemann: Oh ja. Wir erleben momentan eine immer stärkere Konzentration auf die olympischen Verbände, die Medaillenchancen haben. Zwar wird immer wieder betont, dass man den deutschen Sport in seiner ganzen Vielfalt fördern wolle, aber faktisch geht die Förderung immer stärker zurück und konzentriert sich auf immer weniger Verbände. Da werden wir als nicht-olympischer Verband zu kämpfen haben. Ich sage es nochmals in aller Deutlichkeit: es geht in den nächsten Jahren um das Überleben des DSAB!
Ich bin immer wieder überrascht, wie wenig sich die Vereine und Landesverbände mit der Situation des Bundesverbands beschäftigen. Daher war ich auch etwas über die ganzen Kampfkandidaturen verwundert, die wir in den letzten 14 Monaten erlebt haben. Mir ist klar, dass in einem Verband mit rund 15.000 Mitgliedern nicht alle mit allen befreundet sein können. Das ist ja auch ganz normal. Und es gibt sicher zu wenige Posten, als dass jeder glücklich wird. Aber: Wir sind viel zu wenige, als dass wir uns Streit leisten könnten! Das werde ich in den nächsten Monaten auch allen sagen, egal ob sie es hören wollen oder nicht. Wir haben nur eine Zukunft, wenn wir gemeinsam an die Probleme gehen.

Was war Deine erste Amtshandlung als DSAB-Präsident?
Stegemann: Als Erstes habe ich den Vorschlag des Präsidiums bei der Mitgliederversammlung zur Abstimmung gestellt, Martin Gerster zum Ehrenpräsidenten zu machen. Martin hat das sieben Jahre lang sehr gut gemacht, auch wenn er sich eher im Hintergrund betätigt hat. Aber für die nicht-olympischen Verbände allgemein und insbesondere für die Sportakrobatik war er eine wichtige Figur, die uns vor der Marginalisierung im Wettstreit mit den olympischen Verbänden bewahrt hat. Wir können nur hoffen, dass er das weiterhin als Haushälter für das Bundesinnenministerium machen wird. Ich bin da zuversichtlich.
Weiterhin wird es darum gehen, die EM in Riesa mit den dortigen Kollegen vorzubereiten und zum Erfolg zu führen. Da mache ich mir wenig Sorgen, ich glaube, das wird eine großartige Veranstaltung werden.

Du selbst warst früher Basketballer, hast bei Uni Basel gespielt, warst Auswahlspieler und Stadtmeister. Wie bist Du überhaupt zur Sportakrobatik gekommen? Und welche Erfahrungen bringst Du vom Basketball mit, die auch der deutschen Sportakrobatik nützen könnten?
Stegemann: Zur Sportakrobatik bin ich durch Martins Präsidentschaft gekommen; und weil ich den Sport toll finde, bin ich irgendwie dabei geblieben.
Was ich aus meiner Erfahrung einbringen kann? Zunächst weiß ich selbst, was es bedeutet Leistungssport zu betreiben. Ich kenne aber vor allem auch die Enttäuschungen, mit denen man im Sport umgehen muss. Bei mir war nach zwei Bänderrissen von einem auf den anderen Tag Schluss, da mir die Ärzte von weiterem Leistungssport dringend abgeraten haben. Da stehst Du dann, hast viermal die Woche trainiert, am Wochenende Spiele, dazu war ich Schiedsrichter und Trainer- und auf einmal ist alles futsch. Das war sehr frustrierend für mich. Ich habe fast zehn Jahre keinen Basketball mehr angefasst und noch nicht mal die NBA verfolgt. Insofern kenne ich Lust und Frust des Sportlerlebens ganz gut.
Einen weiteren Punkt will ich nennen: Bei der WM in Orlando war ich Delegationsleiter. Während des Wettkampfs kamen zwei Mitglieder der Delegation zu mir, um sich über die angeblich zu hohe Wertung für eine andere deutsche Formation zu beschweren. Ich dachte, ich höre nicht richtig. Abends habe ich die Trainerinnen und Trainern zusammengerufen und sehr klar gesagt, dass ich das nie wieder erleben will. Wir sind ein Team. Wir repräsentieren Deutschland!
Natürlich ist mir klar, dass man hierzulande vor allem Konkurrenz ist. Aber trotzdem sind wir ein Team. Ich selbst habe auch einmal bei einem Turnier meinen Platz in der Anfangsformation an einen besseren Spieler verloren. Da war ich auch richtig sauer. Aber richtig. Trotzdem war es meine Mannschaft und ich habe versucht, den Kollegen zu unterstützen, auf der Bank Stimmung zu machen, und wenn ich aufs Feld kam, mein Bestes zu geben. Das erwarte ich auch bei den zukünftigen Mannschaften, die für Deutschland international antreten.

Am Montag im zweiten Teil: Oliver Stegemann zur Suche nach einem neuen Bundestrainer und einem neuen Vizepräsidenten für Finanzen und Verwaltung, darüber, wie er sich seine Arbeit als DSAB-Präsident vorstellt und welche konkreten Maßnahmen er plant und ob er sich auf akrobastisch.de auch mal per Kommentar zu Wort melden wird…

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Category: Personalien und Verbandsangelegenheiten

Comments (3)

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  1. Antoaneta Kiselichka sagt:

    Ich möchte Oliver auch gratulieren! Ich habe ihm auch in Orlando kennen gelernt als eine sehr fair und verantwortlicher Mensch und ich glaube, ich möchte glauben, dass er einiges verändern wird. Er hatte in Orlando für alle Trainer und Sportler Zeit gehabt und uns alle voll unterstütz, die Probleme und Sorgen geteilt, hat versucht uns als Team zu organisieren und wollte es versuchen in Zukunft zu helfen alles besser organisiert zu machen. Jetzt hat er auch die Position für Realisierung alle seine Ideen! Ich wünsche Oliver alles Gute, sehr viel Erfolg, viel Glück und sehr viel Kraft um alle Probleme zu überwältigen!

  2. Jana sagt:

    Ich durfte Herrn Stegemann in Orlando kennen lernen und er machte auf mich einen sehr positiven Eindruck! Er hat sich für die Sportler echt in Zeug gelegt und totalen Teamgeist verbreitet. Ich wünsche ihm viel Erfolg und gutes Gelingen!

  3. Tim sagt:

    Erst mal Glückwunsch an Oliver Stegemann zu seiner Wahl!
    Ich denke es kann nur positiv sein, dass so ein enger Mitarbeiter von Martin Gerster seine Arbeit weiterführt und dabei es nicht zu einem Qualitätsverlust kommt.

    Ich selber habe schon einige Worte mit Herr Stegemann gewechselt und er sprüht nur so vor positiver Energie und Durchsetzungswillen. Ich denke dieser Mann kann uns wirklich in den nächsten Jahren helfen um die komplette Katastrophe, die er beschrieben hat, zu verhindern.
    Mit den Worten wünsche Ich Oliver Stegemann viel Erfolg und Stehvermögen bei den anstehenden Problemen während seiner Amtszeit.

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