Hans Binapfl, Motor der deutschen Sportakrobatik

| 19. Oktober 2009 | 0 Comments
Hans Binapfl

Wie an früherer Stelle bereits gemeldet, verstarb vor zwei Wochen Hans Binapfl, einer der Motoren der deutschen Sportakrobatik. Das Ehrenmitglied des Deutschen Sportakrobatik Bundes hat sich große Verdienste um unsere Randsportart erworben. Wie viele andere auch, könnte man jetzt sagen! Trotzdem reizt gerade die Person Binapfl zum genaueren Hinsehen auf eine Laufbahn, die als eine Art Spiegel der Geschichte der deutschen Sportakrobatik gewertet werden kann. Ein Nachruf.

Die FuggerstädterVersetzen wir uns in die Anfänge unserer Sportart nach dem Zweiten Weltkrieg. Von Sportakrobatik war damals noch nirgends die Rede. Aber es gab den Kunstkraftsport. Dieser passte so recht in ein Land, das nach Wiedererstarken, gemeinsamem Anpacken in schwierigen Zeiten und gleichzeitig nach preisgünstigen Attraktionen lechzte. Kunstkraftsportler waren damals überwiegend Männer, die mit vereinten Kräften zirkusreife Nummern zeigten, welche man gern auf vielen Feiern und Festen vorführen durfte. Es waren vielleicht die besten Zeiten, die unsere Sportart je erlebte: Kunstkraftsport war damals fast ein Trendsport, die deutschen Meisterschaften wurden sogar im Fernsehen übertragen. Im Vergleich zu heute war die Sportart damals sehr statisch, ohne tänzerisch-choreografische Elemente und wie gesagt männlich dominiert.

Die Gründung des eigenen Vereins

In Augsburg hatte sich Hans Binapfl dem Kunstkraftsport verschrieben. Er und seine Partner nannten sich "Die Fuggerstädter". Binapfl war der kraftstrotzende Untermann der Truppe, die mehrere deutsche Meistertitel gewann. Zunächst waren die Hochzoller Kunstkraftsportler noch in einen Augsburger Großverein integriert. Aber die Abteilung expandierte rasch und der Verein konnte den Kunstkraftsportlern bald nicht mehr genug Trainingszeiten zur Verfügung stellen. Also beschlossen die Männer rund um Binapfl, sich selbstständig zu machen und gründeten 1957 den Kunstkraftsportverein (KSV) Augsburg-Hochzoll. Alle waren hoch motiviert und trainierten mehrmals pro Woche. Bald schon übernahm Binapfl – wohlgemerkt noch als aktiver Sportler – die Vereinsführung. Die Erfolge seines KSV Augsburg-Hochzoll in diesen Anfangsjahren waren sensationell: Die schwäbischen, bayerischen und deutschen Meistertitel purzelten nur so nach Augsburg.

Die FuggerstädterAber der Kunstkraftsport wollte auch auf Landes- und Bundesebene organisiert werden. Also stieg Hans Binapfl auch auf der Verbandsebene ein. Der Funktionär Binapfl war immer ein Macher, nie ein Schönschwätzer oder Theoretiker, hemdsärmelig, direkt, ein Stück weit bajuwarisch. Was er durchsetzen wollte, packte er energisch an, Schwierigkeiten waren für ihn dazu da, ohne Umwege gelöst zu werden. So war das in seinem Verein, so handelte er in den Verbänden.

Vom Kunstkraftsport zur Sportakrobatik

Erst im Zuge der Internationalisierung wandelte sich der Kunstkraftsport zu Beginn der siebziger Jahre zu einem zunehmend auch von Frauen betriebenen "ästhetischen" Sport nach osteuropäischem Vorbild, der heutigen Sportakrobatik. Der Kunstkraftsportler Binapfl wehrte sich nicht gegen die neuen Tendenzen. Sowohl im Verein, den er zügig zum Sportakrobatikverein (SAV) umbenennen ließ, als auch im 1975 gegründeten Bayerischen Sportakrobatik Verband (BSAV) unterstützte er die neuen Entwicklungen. So erlebte sein Augsburger Verein in dieser Zeit seine goldenen Jahre: Das Geschwisterpaar Karin und Doris Jung, das schon seit vielen Jahren die nationale Konkurrenz nach Belieben dominierte und rund 30 nationale Titel sammelte, meisterte den Wandel zur Sportakrobatik spielend, holte 1974 bei der ersten Weltmeisterschaft der Sportakrobaten in Moskau Silber und gewann zwei Jahre später erneut eine WM-Medaille.

Der maskuline Kunstkraftsport mit seinen superhohen Pyramiden oder auch der Luftakrobatik hatte Binapfls Neigungen sicher mehr entsprochen als die Sportakrobatik mit ihren anmutigen und choreografierten Darbietungen. Bei den Kunstkraftsportlern war Binapfl sogar Bundes-Kampfrichterobmann gewesen. Jetzt in der Ära der Sportakrobatik fühlte er sich im Sportbetrieb nicht mehr ganz so wohl.

WM 1990 in AugsburgDie Sportakrobaten aller Welt blicken nach Augsburg.

Voll in seinem Element war Binapfl hingegen nach wie vor, wenn es um organisatorische Belange ging. Dank ihm wurde Augsburg mehrmals zum Nabel der internationalen Sportakrobatik. 1985 fing er mit der Europameisterschaft "klein" an und holte 1990 auch die Weltmeisterschaft nach Augsburg. Das war schon ein gewaltiger Klimmzug für ihn und seinen kleinen SAV, der es auf knapp 300 Mitglieder brachte. Hier demonstrierte Binapfl, was in ihm und in seinen vielen Sportfreunden aus der Gründerzeit steckte.

Am Ende seiner Amtszeiten in Verein und Verbänden musste Binapfl aber auch noch die Grenzen der Leistungsfähigkeit seines einst so erfolgreichen Vereins und auch Verbandes erkennen. Er konnte es nicht verhindern, dass Augsburg und Bayern seit langem keine Teilnehmer mehr bei internationalen Wettbewerben hervorgebracht haben und auch in der nationalen Szene keine große Rolle mehr spielen. Möglich, dass ihn dies in seinen letzten Jahren ein wenig geschmerzt hat!

Eines aber steht fest: Die deutsche Sportakrobatik hat mit Hans Binapfl ein Vorbild verloren. Unser Respekt und Dank gilt dem Verblichenen!

Dieser Nachruf entstand in Zusammenarbeit mit Hans Martin Schipfel, der Binapfl 2003 als Vorsitzender des SAV Augsburg-Hochzoll beerbte. Während seiner sechsjährigen Amtszeit war Binapfl für ihn stets ein verlässlicher Mitstreiter und hochgeschätzter Ratgeber. Das Titelbild stammt aus der Augsburger Allgemeinen (Jahrgang 2003).

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Category: Personalien und Verbandsangelegenheiten

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